Intelligente Mobilität: BITKOM zur Umsetzung der PKW-Maut

Der Hightech-Verband BITKOM kritisiert die geplante Umsetzung der PKW-Maut als halbherzig. „Wenn eine Maut für alle Fahrzeuge eingeführt wird, dann sollte sie technisch auf der Höhe der Zeit sein“, sagt BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf. „Eine Maut darf nicht nur die öffentlichen Einnahmen steigern. Sie muss vor allem bei den Verkehrsteilnehmern sinnvolle Verhaltensanreize setzen und den Verkehr steuern. Wenn Maut, dann richtig!“ So könnten die bestehenden Verkehrswege intelligenter und gleichmäßiger ausgelastet werden. Dafür brauche es Anreize für die Teilnehmer am Straßenverkehr, ihre Routen anzupassen – etwa durch unterschiedliche Preise je nach Tageszeit und Verkehrsaufkommen.

Sollten die aktuellen Pläne der Bundesregierung zur PKW-Maut umgesetzt werden, könnte eine große Chance zur notwendigen Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur verspielt werden. „Während zum Beispiel die niederländische Bahn derzeit komplett auf elektronische Tickets umstellt, will die Bundesregierung künftig jedes Jahr an alle PKW-Fahrer per Post verschiedenfarbige Aufkleber verschicken, die auf die Windschutzscheiben geklebt werden sollen“, bemerkt Kempf zu dem unzeitgemäßen Verfahren. Zudem ist die geplante Vignette als Flatrate geplant: Ihr Preis richtet sich nach Emissionsklassen, nicht nach gefahrenen Kilometern. „Eine intelligente Maut sollte das Verursacherprinzip beachten“, sagt Kempf. Die Kosten für Erhalt und Ausbau der Straßen sollten abhängig von der Nutzung gestaffelt werden.

BITKOM kritisiert in diesem Zusammenhang eine weitere gesetzliche Regel, und zwar den Entwurf des „Gesetzes zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften“. Das Gesetz dient als Grundlage für bisherige und zukünftige elektronische Mautsysteme in Deutschland und Europa. Laut Entwurf darf für die Erhebung einer Maut neben Satellitenortung und Mikrowellentechnik ausschließlich der Mobilfunkstandard der zweiten Generation GSM/GPRS verwendet werden. „Aktuelle Gesetze zur Regelung zukünftiger elektronischer Mautsysteme schreiben technische Standards vor, die bereits heute veraltet sind“, wundert sich Kempf. Seit 2013 kann in Deutschland der Mobilfunkstandard der vierten Generation, LTE, genutzt werden. Kempfs Forderung: Daten sollten mit allen zur Verfügung stehenden Mobilfunkstandards übertragen werden dürfen.

Eine Modernisierung des Verkehrssystems kann einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen von insgesamt zehn Milliarden Euro jährlich erzeugen. Das hatte eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung im BITKOM-Auftrag ergeben. Der Löwenanteil von rund 4,4 Milliarden Euro ergibt sich aus der Vermeidung von Staus und entsprechenden Zeitverlusten sowie Umweltschäden. Neue Logistiksysteme sparen weitere 3,5 Milliarden Euro jährlich. Hinzu kommen Wachstumsimpulse in Höhe von 2 Milliarden Euro mit neuen Apps und Services, die die unterschiedlichen Verkehrsnetze miteinander verbinden.

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Ein Beispiel für die Potenziale verkehrstelematischer Systeme ist Stockholm: Dort werden pro Sekunde insgesamt 250.000 anonymisierte GPS-Daten von Handybesitzern, Stau- und Unfallmeldungen sowie Daten von Sensoren und dem Mautsystem analysiert und so der Verkehr gesteuert. Die individuellen Fahrzeiten konnten um 50 Prozent verringert werden, das Verkehrsaufkommen und die Emissionen um 20 Prozent.

Hinweis zur Methodik: Gegenstand der Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) sind die gesamtwirtschaftlichen Effekte, die sich durch intelligente Netze erzielen lassen. Die Berechnungen basieren auf einer Metastudie, in der verfügbare einschlägige Untersuchungen ausgewertet wurden.